Die Monopolkommission schlägt in Kapitel 1 ihres XXII. Hauptgutachtens Wettbewerb 2018 grundlegende strukturelle Änderungen des Vergütungssystems für die Versorgung mit Arzneimitteln durch Großhändler und Apotheken vor. Im Ergebnis soll die Vorgabe eines einheitlichen Apothekenabgabepreises nach § 78 Abs. 2 Satz 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) aufgehoben werden. In diesem Zuge sollen die Großhandelszuschläge gemäß § 2 Abs. 1 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) entfallen und die Vergütung des pharmazeutischen Großhandels vollständig dem Wettbewerb überlassen werden. Die vorgeschlagene Honorierung von Apotheken liefe auf eine Höchstpreisverordnung mit einem festen, von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu tragenden Bestandteil und einem Serviceentgelt als variablen Bestandteil hinaus, der zwischen Apotheke und Patienten vereinbart werden soll.
Der Bundesverband PHAGRO kritisiert die Vorschläge sowohl zu der Aufhebung der gesetzlichen Großhandelszuschläge als auch des einheitlichen Abgabepreises. Der PHAGRO nimmt im Einzelnen wie folgt Stellung.
Vorschläge zum Großhandelszuschlag gemäß § 2 Abs. 1 AMPreisV
Die Monopolkommission empfiehlt die vollständige Aufhebung der Großhandelszuschläge gemäß § 2 Abs. 1 AMPreisV, an deren Stelle durch die Arzneimittelgroßhändler frei im Wettbewerb zu verhandelnde Handelsspannen treten sollen. Diese Empfehlung wird im Wesentlichen damit begründet, dass mit dem jetzigen System fester Handelsspannen die Ziele des Gesetzgebers bezüglich der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Versorgung nicht in Einklang zu bringen seien. Dabei wird argumentiert, dass sich im Wettbewerb auf der Großhandelsebene verhandelte Handelspannen die tatsächlichen Kosten des pharmazeutischen Großhandels wesentlich besser abbilden würden als die bisherige kalkulatorische Ermittlung in der AMPreisV.
Der PHAGRO widerspricht dieser Empfehlung und Argumentation ausdrücklich. Der Gesetzgeber hat Arzneimittelgroßhandlungen in § 52b Absatz 1 AMG einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag zugewiesen. Dieser öffentlich-rechtliche Auftrag wird für vollversorgende pharmazeutische Großhandlungen in § 52b Absatz 3 Satz 1 i.V.m. Absatz 2 AMG konkretisiert. Deshalb sind vollversorgende pharmazeutische Großhandlungen verpflichtet, ein vollständiges, herstellerneutral gestaltetes Sortiment an apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu unterhalten, das nach Breite und Tiefe so beschaffen ist, dass damit der Bedarf von Patienten von den mit der Großhandlung in Geschäftsbeziehung stehenden Apotheken werktäglich innerhalb angemessener Zeit gedeckt werden kann. Zur Erfüllung dieses gesetzlichen Sicher- und Bereitstellungsauftrags benötigt der Großhandel eine feste und verlässliche Honorierung, die nicht dem freien Wettbewerb überlassen werden kann. Folgerichtig erhielt der Großhandel im Zuge der Neuordnung der Großhandelsvergütung im Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) mit dem Festzuschlag eine fixe Vergütung, die nach dem Willen des Gesetzgebers eine unabhängig vom Preis eines Arzneimittels angemessene und flächendeckende, bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung der Apotheken sicherstellen soll.
Dabei folgt die kalkulatorische Ermittlung der Großhandelsvergütung gemäß AMPreisV dem Prinzip der Mischkalkulation. Eine artikelbezogene Kostenkalkulation ist im vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel nicht möglich, da er seine Infrastruktur überwiegend unabhängig von der Menge oder dem Preis eines Artikels vorhalten muss. Deshalb ist die Annahme des Gutachtens unzutreffend, dass sich im Wettbewerb ergebende Handelsspannen die individuellen Kosten der Belieferung einzelner Produktgruppen besser abbilden könnten.
Vielmehr ist in jüngster Vergangenheit das genaue Gegenteil zu beobachten. Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 05. Oktober 2017 wurde die gesamte Großhandelshonorierung inkl. des Festzuschlages disponibel gestellt und damit für den Wettbewerb geöffnet. Damit war genau der von der Monopolkommission gewünschte Zustand eingetreten. In der Folge des BGH-Urteils hat die Wettbewerbsintensität jedoch weiter zugenommen, nicht zuletzt durch direkt vertreibende pharmazeutische Unternehmer, die ihre Logistikkosten über eine höhere Herstellermarge finanzieren können. Von einer adäquaten Abbildung der Kosten des Großhandels in den im Wettbewerb realisierten Margen kann keine Rede sein.
Im Ergebnis muss daher befürchtet werden, dass der Vorschlag der Monopolkommission zu einer Intensivierung eines reinen Preiswettbewerbs bei Zunahme des Direktgeschäfts pharmazeutischer Unternehmer führen würde. Gleichzeitig stünde zu befürchten, dass durch den über die gesamte Spanne eröffneten Preiswettbewerbs die Mindestvorgaben des § 52b AMG hinsichtlich Art und Umfang der Leistungen des pharmazeutischen Großhandels und damit der bisherige Versorgungsumfang und die Versorgungsqualität zunehmend unter Effizienzgesichtspunkten in Frage gestellt würden. Damit würde insbesondere das Geschäftsmodell des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels, der in seinen Niederlassungen im Durchschnitt jeweils mehr als 100.000 Arzneimittel, Medizinprodukte und andere apothekenübliche Artikel bereithält, erheblich gefährdet.
Deshalb begrüßt der PHAGRO den Willen des Bundesministeriums für Gesundheit, mit dem Referentenentwurf eines Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) mit der Neufassung von § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV klarzustellen, dass der Festzuschlag der Großhandelsspanne in der AMPreisV nicht rabattierfähig ist. Dies betrifft insbesondere das damit verfolgte Ziel, den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel durch verlässliche Rahmenbedingungen auf der Grundlage einer ausreichenden Vergütung bei der Erfüllung seines gesetzlichen Bereitstellungs- und Sicherstellungsauftrages zu unterstützen.
Vorschläge zum einheitlichen Abgabepreis gemäß § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG
Die Monopolkommission empfiehlt, den einheitlichen Apothekenabgabepreis aufzuheben und diesen in zwei Komponenten aufzuteilen. Heilberufliche Leistungen von Apotheken sollen standardisiert und einheitlich mittels einer festen Preiskomponente weiterhin von der GKV finanziert werden. Zusätzlich sollen Apotheken im Wettbewerb eine individuelle Servicekomponente festlegen können, die von den Patienten an Apotheken zu entrichten wäre. Im Gegenzug würden die heutigen Zuzahlungen von Patienten, die zwar gegenüber der Apotheke geleistet werden, jedoch ausschließlich der GKV zu Gute kommen, entfallen. Fragen zur weiteren Ausgestaltung dieses Vergütungsmodells lässt das Gutachten unbeantwortet.
Der PHAGRO wird die einzelnen Vorschläge bezüglich der Apothekenhonorierung nicht weiter bewerten, da wir uns ausschließlich zu Empfehlungen mit direkter Betroffenheit des pharmazeutischen Großhandels äußern. Eine Aufhebung des einheitlichen Apothekenabgabepreises halten wir jedoch aus grundsätzlichen gesundheitspolitischen Erwägungen für kritisch.
Der einheitliche Abgabepreis ist aus versorgungs- und sozialpolitischer Sicht von zentraler Bedeutung und daher vom Gesetzgeber aus gutem Grund im Arzneimittelgesetz verankert und mit der Arzneimittelpreisverordnung umgesetzt. Der einheitliche Abgabepreis wird von dem Gedanken getragen, dass Patienten im gesamten Bundesgebiet das gleiche Arzneimittel in jeder Apotheke zu demselben Preis erhalten können. Dieses System, das auf den ersten Blick wettbewerbsbehindernd wirken mag, soll den Patienten schützen und ihm einen ungehinderten und gleichberechtigten Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sichern.
Patientinnen und Patienten sollen im Krankheitsfall nicht zu Preisvergleichen und ggf. längeren Wegen zu einer günstigen Apotheke gezwungen werden. Hier den Gesetzen der Marktwirtschaft zu folgen, hieße zu ignorieren, dass ein kranker Patient a priori niemals ein frei handelnder Nachfrager sein kann.
Der PHAGRO | Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e. V. vertritt alle 11 in Deutschland ansässigen vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen, die sämtliche öffentlichen Apotheken in Deutschland herstellerneutral mit allen von Patienten nachgefragten Arzneimitteln schnell, sicher und flächendeckend versorgen.