Entwurf eines Apotheken-Reformgesetzes


Der PHAGRO | Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e.V. bedankt sich für die Möglichkeit der Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) eines Gesetzentwurfes für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform.

Der PHAGRO begrüßt das erklärte Ziel des Bundesministeriums, mit dem Gesetz die notwendigen Rahmenbedingungen für eine bessere Arzneimittelversorgung durch Apotheken in der Fläche schaffen zu wollen. Allerdings wird dieses Ziel mit dem vorgelegten Referentenentwurf gerade nicht erreicht. Im Gegenteil, insbesondere mit der vorgesehenen Neuregelung der Arzneimittelpreisverordnung, Rabatte und Vergünstigungen auf die gesamte gesetzliche Großhandelsspanne zulassen zu wollen, wird die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Apotheken durch und über den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel aufgrund der ausdrücklichen Aufgabe des Mindestpreisprinzips preisrechtlich unterlaufen und, offensichtlich politisch gewollt, aufgegeben.

Der PHAGRO und seine Mitgliedsunternehmen erkennen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Urteils des BGH vom 08. Februar 2024 („Großhandelszuschläge II“) (I ZR 91/23) zu Lasten der Apotheken und deren anhaltende gesetzliche Unterfinanzierung an. Auf der anderen Seite arbeiten auch die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen seit Jahren am Rande der Wirtschaftlichkeit.

Deshalb appellieren wir an den Gesetzgeber, eine Lösung zusammen mit allen Betroffenen und Beteiligten, insbesondere mit Apotheken und Großhandel gemeinsam zu finden und keine einseitig belastenden Lösungen weiterzuverfolgen, die nicht nur die Großhandelsvergütung gemäß Arzneimittelpreisverordnung, sondern die gesamte Infrastruktur der Arzneimittelversorgung über und durch den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel in Frage stellen.

Die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen sehen sich nur auf der Grundlage eines nicht rabattierbaren und nicht durch inäquivalente Vergünstigungen korrumpierbaren Mindestpreises gem. § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV in der Lage, die Beschaffung, Lagerhaltung und Versorgung mit allen apothekenpflichtigen Arzneimitteln weiterhin im bisherigen und gem. § 52b Abs. 2 S. 2 AMG gesetzlich geforderten Umfang bedarfs- und flächendeckend vorzunehmen.

Wir appellieren deshalb dringend an die Bundesregierung, die Schlussfolgerungen des Bundesgerichtshofs nachzuvollziehen und eine angemessene Vergütung der Apotheken nicht durch die generelle, leistungsunabhängige und unbeschränkte Gewährung bislang verbotener Rabatte und „Vergünstigungen“ auf die Großhandelspreise, sondern durch eine Anhebung der in § 3 AMPreisV genau zu diesem Zwecke vorgesehenen Apothekenzuschläge zu sichern und im Gegenzug den Großhandel adäquat und insbesondere den flächendeckend vollversorgenden Großhandel leistungsgerecht und strukturerhaltend zu vergüten. (vgl. auch BGH v. 08.02.2024, Az.: I ZR 91/23, Rdnr. 32)

Zu Artikel 8 Nr. 3

Verfassungsrechtliche Bedenken

Die vorgesehene Neufassung des § 2 Abs. 1 S. 2 AMPreisV dahingehend, dass „abweichend von Satz 1 zweiter Halbsatz die Gewährung von handelsüblichen Rabatten oder Vergünstigungen zulässig ist“, ist als Berufsausübungsregelung in dem gesetzlich unverändert durch § 78 AMG vorgegebenen Preisspannenmodell unverständlich und unverhältnismäßig. Die im Entwurf als „Klarstellung“ qualifizierte Änderung setzt sich nicht mit der Entscheidung des BGH vom 08. Februar 2024 („Großhandelszuschläge II“) (I ZR 91/23) auseinander. Der mit der Regelung verfolgte Allgemeinwohlzweck ist weder aus dem Wortlaut der vorgesehenen Regelung ersichtlich, noch findet sich in der Begründung ein Hinweis auf die Motivation des Gesetz- und Verordnungsgebers, welchen Sinn und Zweck die vorgesehene Regelung haben soll. Auch fehlt jede abwägende Auseinandersetzung mit den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels einschließlich der Zweckbindung, d.h. der Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln, nach § 78 Abs. 2 S. 1 AMG.

Unterstellt man, dass die vorgesehene Ermöglichung von „handelsüblichen Rabatten oder Vergünstigungen“ auf die Großhandelsspanne dem auf Seite 1 des Referentenentwurfes formulierten abstrakten Zweck der Schaffung „notwendiger Rahmenbedingungen für eine bessere Arzneimittelversorgung durch Apotheken in der Fläche“ dienen soll, wird dieser Gesetzeszweck mit der vorgesehenen Änderung von § 2 Abs.1 AMPreisV gerade nicht erreicht, sondern konterkariert.

Die anlässlich der mündlichen Anhörung des Bundesministeriums vom 25.06.2024 geäußerte Absicht des Gesetzgebers, „die Spielräume der Apotheken beim Skonto wiederherzustellen“, erklärt nicht den überschießenden Regelungsgehalt der Änderung, die sich gerade nicht auf die von § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV abweichende Zulassung von Skonti als Gegenleistung für eine vorfristige Zahlung beschränkt, sondern ggf. weit darüber hinausgehende „Rabatte oder Vergünstigungen“ zulassen will. Unabhängig davon ist nicht erkennbar, warum die Wiederherstellung der „Spielräume der Apotheken beim Skonto“ das Allgemeinwohl fördern und die Arzneimittelversorgung durch Apotheken in der Fläche verbessern soll.

Im Gegenteil: Eine ausdrückliche Gestattung unbeschränkter und inadäquater Wettbewerbsinstrumente („Vergünstigungen“) (Stichwort: „unechte Skonti“!), die zu einem Unterlaufen des Mindestpreises  gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 AMPreisV führen, ist schlechthin ungeeignet, eine notwendige Rahmenbedingung für eine bessere Arzneimittelversorgung durch Apotheken in der Fläche zu sein, weil eine solche Regelung in keiner Weise zur Versorgungs- und Infrastruktursicherung der Arzneimittelversorgung der durch den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel versorgten Apotheken beiträgt. Mit einem ruinösen Preiswettbewerb wird das flächendeckende Netz von hersteller- und sortimentsneutral agierenden Großhandlungen gefährdet, die eine kurzfristige und bedarfsgerechte Belieferung ihrer Apothekenkunden mit allen von diesen nachgefragten Arzneimitteln leisten. Gleichzeitig werden die „Rabatte oder Vergünstigungen“ wirtschaftlich primär nicht den in der Fläche tätigen Landapotheken zugutekommen, sondern den umsatz- und nachfrage-starken Apotheken in Ballungsräumen. 

Wir nehmen insoweit nachfolgend Bezug auf die Urteilsgründe des BGH (Urt. vom 08. Februar 2024 („Großhandelszuschläge II“) (I ZR 91/23)) Rdnr. 31. Dort heißt es unter Bezugnahme auf die Ermächtigungsgrundlage der Verordnung: „Die Preise und Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken abgegeben werden, müssen nach § 78 Abs. 2 Satz 1 AMG den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen.“ Eine einseitige Regelung zu Lasten des Großhandels, die den für die Erfüllung des gesetzlichen Versorgungsauftrages notwendigen Mindestpreis aufgibt, trägt aber gerade nicht den berechtigten Interessen des Großhandels Rechnung.

Zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört nach § 78 Abs. 2 Satz 1 AMG ausdrücklich „auch die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln nach § 52b AMG. Nach § 52b Abs. 1 AMG stellen Betreiber von Arzneimittelgroßhandlungen eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln sicher, damit der Bedarf von Patienten im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes gedeckt ist. Da dieser gesetzliche Versorgungsauftrag von Arzneimittelgroßhandlungen unabhängig vom Preis eines Arzneimittels zu erfüllen ist, soll der Großhandel nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers im Gegenzug eine Vergütung erhalten, die ausreichend ist, eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken zu gewährleisten“ (BT-Drucks. 19/6337, S. 155).

„Nur dadurch, dass der Großhandel den Festzuschlag von [damals] 70 Cent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zwingend aufschlagen muss, kann das mit dem Festzuschlag bezweckte Ziel erreicht werden“ (vgl. BT-Drucks. 19/6337, S. 156). „Dieses Ziel würde verfehlt, wäre die Vorschrift des neugefassten § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV dahingehend auszulegen, dass zwar der Festzuschlag erhoben werden muss, der Großhandel jedoch handelsübliche Rabatte und  Vergünstigungen gewähren könnte, die im wirtschaftlichen Ergebnis darauf hinauslaufen, dass auf die Erhebung jeglicher Zuschläge auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers verzichtet wird oder dieser Abgabepreis sogar unterschritten wird.“ Damit würde der Sinn und Zweck des Festzuschlags unterlaufen.

Für die Bereitstellung von Arzneimitteln und für die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages insbesondere vollversorgender pharmazeutischer Großhändler nach § 52b Abs. 2 S. 2 AMG als notwendiger Rahmenbedingung für eine bessere Arzneimittelversorgung durch Apo-theken in der Fläche ist die vorgesehene Neuregelung durch § 2 Abs. 1 S. 2 AMPreisV (neu) weder geeignet, noch erforderlich, noch angemessen.

Auch hier nehmen wir ausdrücklich Bezug auf das Urteil des BGH vom 08. Februar 2024. Dort heißt es in Rdnr. 32: „Soweit geltend gemacht wird, die Apotheken seien auf die Skonti angewiesen, um eine flächendeckende und wohnortnahe Arzneimittelversorgung sicherzustellen, trägt dies der Regelungssystematik der Arzneimittelpreisverordnung nicht Rechnung. Die angemessene Vergütung der Apotheken wird nicht durch die Gewährung verbotener Rabatte auf die Großhandelspreise, sondern durch die in § 3 AMPreisV vorgesehenen Apothekenzuschläge gesichert, die, sollten sie hierfür nicht ausreichen, bei Bedarf vom Verordnungsgeber angehoben werden können.“

Die Vergütung entlang der gesamten Lieferkette in der Arzneimittelversorgung muss für jede Handelsstufe auskömmlich sein. Das gilt für den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel genauso wie für die vor Ort versorgenden Apotheken. Das BGH-Urteil vom 08. Februar 2024 stellt die Unterfinanzierung der Apotheken und des Großhandels und die politischen Versäumnisse der letzten Jahre bloß.

Wir halten hiernach fest:

Artikel 8 Nr. 3 des Referentenentwurfes eines Apotheken-Reformgesetzes ist ein unverhältnismäßiger und verfassungsrechtlich höchst bedenklicher Eingriff in die Berufsfreiheit pharmazeutischer Großhändler gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Der PHAGRO wird eine vertiefte Darlegung der verfassungsrechtlichen Bedenken der vorgesehenen Neuregelung von § 2 Abs. 1 AMPreisV zu Lasten des Großhandels kurzfristig im Nachgang zu dieser Stellungnahme zur Verfügung stellen.

Die Ermächtigung in § 78 Abs. 1 AMG zur Festsetzung von Preisen und Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken im Wiederverkauf abgegeben werden, wurde und wird in der AMPreisV mit dem Instrument von Zuschlägen auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers umgesetzt. Dabei hat der Verordnungsgeber nach § 78 Abs. 2 S. 2 AMG einen einheitlichen Apothekenabgabepreis sicherzustellen. Mitnichten ermächtigt die Norm des § 78 Abs. 1 AMG den Verordnungsgeber, Abschläge, Nachlässe, Rabatte oder „Vergünstigungen“ zu erlauben, zu regeln oder festzusetzen. Damit würde und wird durch die vorgesehene Regelung des § 2 Abs. 1 S. 2 AMPreisV der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers gem. § 78 Abs. 3 AMG als einheitliche Preisbasis unterminiert, d.h., das Mindestpreisprinzip für die Großhandelsspanne verlassen und damit die gesamte Preisspannenregelung für den pharmazeutischen Großhandel ad absurdum geführt. Eine solche vollständige Öffnung des Preiswettbewerbs auf der Großhandelsebene würde zudem die Höchstzuschlagsregelung des Großhandels als einheitliche Preisbasis der Apothekenspanne untergraben und damit unmittelbar den einheitlichen Apothekenabgabepreis gefährden.

Mit der Vorschrift des § 2 Abs. 1 AMPreisV will der Gesetzgeber eine flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichern; er hat dies bislang immer als ein „zentrales gesundheitspolitisches Anliegen“ bezeichnet (BT-Drucksache 17/8005 S. 2). Dieses Ziel soll insbesondere mit dem in der genannten Vorschrift enthaltenen „Festzuschlag“ erreicht werden. Der Gesetzgeber wollte damit bislang dem Großhandel eine Vergütung verschaffen, die die Erfüllung dieser Aufgabe unabhängig vom Preis eines Arzneimittels gewährleistet. Dieses gesetzgeberische Ziel als auch die flächendeckende, bedarfsgerechte und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln selbst würden massiv in Frage gestellt, wenn der Festzuschlag ganz oder teilweise durch handelsübliche Rabatte oder Vergünstigungen, die über die 3,15 % variablen Zuschlag hinausgehen, unterlaufen und ein unbeschränkter Preiswettbewerb veranlasst werden könnte.

Wettbewerbliche Verwerfungen

Die Möglichkeit eines nach eigenem Belieben zu gewährenden Nachlasses hätte auf der Großhandelsebene einen Preiskampf im Bereich des Festzuschlags entgegen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers zur Folge und ist mit dem von der Verordnung intendierten Preisbindungssystem und der entsprechenden Preisspannenregelung nicht zu vereinbaren. Im schlimmsten Fall könnte die Beschaffung, Lagerhaltung und Auslieferung ganzer Arzneimittelsortimente durch den Großhandel nicht mehr kostendeckend und damit nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr erfolgen. Das Prinzip der Vollversorgung über den pharmazeutischen Großhandel in Deutschland wird schon jetzt nur noch von wenigen, miteinander im starken Wettbewerb stehenden, Unternehmen verfolgt. Der PHAGRO warnt ausdrücklich davor, dass die nunmehr vorgeschlagene Aufgabe eines Mindestpreises zu einer Kannibalisierung der verbliebenen Versorgungsstrukturen auf Großhandelsebene führen würde.

Wettbewerblichen Verwerfungen auf der Angebotsseite stünden entsprechende Folge-wirkungen auf der Nachfrageseite gegenüber. Gewähren Großhandlungen nur nachfragestarken Großabnehmern auf Apothekenseite Rabatte, Skonti und Vergünstigungen – wovon im sehr heterogenen Apothekenmarkt auszugehen ist –, so würde im Gegenzug die Konkurrenzfähigkeit kleinerer, nachfrageschwacher Apotheken gefährdet, was die Arzneimittel-versorgung gerade auf dem Lande und in der Fläche beeinträchtigen und zur Aufgabe des Flächendeckungsprinzips führen könnte. Damit würde genau das Szenario eintreten, das der Gesetzgeber mit dem Festzuschlag im Sinne der angemessenen und flächendeckenden Belieferung der Apotheken gerade verhindern wollte (GmS-OGB, GRUR 2013, 417; BGH GRUR 2016, S. 523). Gleichzeitig dürfte damit das Ziel der geplanten Änderung der Apothekenvergütung, für eine sachgerechtere Verteilung zwischen umsatzstarken und -schwachen Apotheken zu sorgen und die Arzneimittelversorgung in der Fläche zu verbessern, konterkariert und Fehlallokationen weiter verstärkt werden.

Verordnungssystematik

Gemäß BGH-Urteil vom 08. Februar 2024 (Az. I ZR 91/23) ist für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift „der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist, maßgeblich“. Die „vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierender Auslegung kann durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden.“

Der Wortlaut von § 2 Abs. 1 S. 2 AMPreisV (neu) bleibt jedoch unklar, widersprüchlich und unbestimmt. Das Wort „abweichend“ suggeriert ein Regel-/Ausnahmeprinzip im Hinblick auf § 2 Abs. 1 S. 1 zweiter Halbsatz, während das Verhältnis von Halbsatz 1 („sind zu erheben“) zu Halbsatz 2 („darf erhoben werden“) den Unterschied zwischen einer obligatorischen und einer fakultativen bzw. variablen Zuschlagsregelung beschreibt. Die zwingende gesetzliche Regelvergütung sind der Festzuschlag von 73 Cent sowie die Umsatzsteuer, die auf den Arzneimittelabgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zu erheben sind, wohin-gegen „zusätzlich“ ein optionaler Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, auf den ApU ohne die Umsatzsteuer erhoben werden „darf“.

Somit ist der Festzuschlag samt Umsatzsteuer zwingend zu erheben, wohingegen die Erhebung des variablen Zuschlags auf der Grundlage einer Kann- bzw. Darf-Vorschrift erfolgt, d.h., ein ausdrücklich nicht zwingend zu erhebender Zuschlagsbestandteil ist, der nach geltendem Recht dem Preiswettbewerb mit Rabatten und Skonti offensteht. Zu den bereits variabel gestalteten Zuschlägen nach § 2 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 AMPreisV können jedoch nach den Gesetzen der Logik nicht auf dem Wege einer Ausnahmeregelung „abweichend“ Rabatte und sonstige Vergünstigungen für zulässig erklärt werden, die „in einem Umfang gewährt werden können, die den Umfang des in § 2 Abs. 1 S. 1 zweiter Halbsatz geregelten relativen Zuschlags in Höhe von bis zu 3,15% überschreiten“. (so aber die Begründung zu Art. 8 Nr. 3 ApoRG-RefE)

Ordnungspolitische Maßgaben

Weiterhin müssen bei der Gestaltung der Preisspannenregelung gemäß § 2 Abs. 1 AMPreisV aus ordnungspolitischen Gründen Wertungswidersprüche zwischen dem Wettbewerbsrecht, der Arzneimittelpreisbindung und dem Heilmittelwerberecht (HWG) vermieden werden. Der Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 1 HWG Preisnachlässe für Rx-Arzneimittel im Unterschied zu OTC-Arzneimitteln und Medizinprodukten nur erlaubt, soweit diese nicht entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes oder des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten. Mit der vorgesehenen Regelung von § 2 Abs. 1 S. 2 AMPreisV (neu) würden bei der Abgabe von Rx-Arzneimitteln durch den Großhandel an Apotheken faktisch unbeschränkte Rabatte und Vergünstigungen ermöglicht. Damit läuft auch § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG in Bezug auf Rx-Arzneimittel systemwidrig leer. Hinzu kommt, dass über den Begriff der „Vergünstigungen“ die präzise Unterscheidung in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a) und b) HWG zwischen Rabatten auf preisgebundene Arzneimittel, die nur innerhalb der Margen der AMPreisV zulässig sind, und OTC-Arzneimitteln, für die Barrabatte, aber keine sonstigen wirtschaftlichen Vorteile gewährt werden dürfen, vollständig unterlaufen wird. Damit würde für Rx-Arzneimittel ein weitergehender Spielraum für Rabatte und Vergünstigungen als für OTC-Arzneimittel (und Medizinprodukte) gelten, die nur mit Preisnachlässen und Zuwendungen innerhalb der Grenzen des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG vertrieben werden dürfen.

Inadäquaten und bislang rechtswidrigen Rabatten, (unechten) Skonti und Vergünstigungen (worunter nach dem objektiven Begriffsinhalt auch Geschenke und sonstige Sachzuwendungen aller Art fallen) wären Tür und Tor geöffnet. Der PHAGRO bezweifelt, dass dieses Ergebnis mit der gesetzlichen Pflicht des Verordnungsgebers zur Gewährleistung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises als Basis der ordnungsgemäßen, flächendeckenden und bedarfsgerechten Arzneimittelversorgung der Bevölkerung, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen, vereinbar ist.

Wirtschaftliche Unzumutbarkeit

Die vorgesehene Regelung ist für den Großhandel auch wirtschaftlich unzumutbar. Mehrfach und bereits lange vor dem Urteil des BGH vom 08.02.2024 haben wir darauf hingewiesen, dass die Großhandelsvergütung nach AMPreisV schon längst nicht mehr ausreichend war und ist, um dem gesetzlich geforderten Versorgungsumfang zu entsprechen. Die Umsatzrendite des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels, d.h. aller PHAGRO-Mitgliedsunternehmen, beträgt aktuell durchschnittlich 0,42 % mit sinkender Tendenz (Quelle IFH-Köln, 1. Quartal 2024) und liegt damit weit unter einer für Handelsunternehmen empfohlenen Umsatzrendite von mindestens einem Prozent. Allein die explodierenden Finanzierungskosten, mit denen Großhandlungen ihre Warenbestellungen und Warenlager sowie vielfach Apotheken bis zur Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung vorfinanzieren, erfordert eine deutlich höhere Umsatzrendite.

Gleichwohl lassen die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes PHAGRO e. V. bislang nichts unversucht und engagieren sich in höchstem Maße, um die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit allen apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit wie irgend möglich sicherzustellen. Allerdings kann der vollversorgende pharmazeutische Großhandel bereits heute seinen gesetzlichen Sicherstellungsauftrag auf der Grundlage der prekären gesetzlichen Vergütung nur am Rande der Wirtschaftlichkeit erfüllen! Daher benötigen die vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen zur Erfüllung ihres gesetzlichen Sicherstellungsauftrags wenigstens und zwingend eine Sicherung des Festzuschlags von aktuell 73 Cent.

Das BGH-Urteil vom 08.02.2024 hat dem vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel den dringend erforderlichen wirtschaftlichen Spielraum für die notwendige Infrastruktursicherung bis hin zu Investitionen in eine zukunftsfeste Arzneimittelversorgung verschafft. Eine explizite Gestattung von Rabatten und Vergünstigungen, die den gesetzlichen Mindestpreis unterlaufen, wird auf den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel in kurzer Zeit ruinös und strukturvernichtend wirken.

Zu Art. 10

Gemäß der vorgesehenen Änderung in § 15 BtMG durch den neu einzufügenden Satz 2 soll „eine gesonderte Aufbewahrung der in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel in Form von Fertigarzneimitteln entbehrlich“ sein, „wenn im Rahmen einer automatisierten EDV-gestützten chaotischen Lagerhaltung technische Voraussetzungen bestehen, die eine separate Bestands- und Nachweisinformation ermöglichen.“

Der PHAGRO begrüßt die vorgesehene Änderung von § 15 BtMG, allerdings sollte in der Begründung klargestellt werden, dass sich diese Regelung auf alle Teilnehmer am BtM-Verkehr, insbesondere auch auf Großhändler, bezieht. Allein die Einschätzung des Erfüllungsaufwandes gemäß E.12 des RefE kommt zu dem Ergebnis, dass für Apotheken und pharmazeutische Großhändler durch die Änderung des § 15 BtMG für die Möglichkeit der Lagerung von verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln in Form von Fertigarzneimitteln in Kommissionierautomaten geringfügige, nicht quantifizierbare Ein-sparungen entstehen.

Die Begründung zu Art 10 des RefE (S. 48 f.) stellt im Unterschied dazu ausschließlich darauf ab, dass „Apotheken am Betäubungsmittelverkehr teilnehmen und einen maßgeblichen Beitrag zur Versorgung der Patientinnen und Patienten mit den in Anlage III bezeichneten Betäubungsmitteln, also verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln leisten“. Der Großhandel wird in der Begründung weder erwähnt noch in Bezug genommen.

Die Begründung zu Art. 10 des RefE führt aus, dass mit der Änderung des § 15 insbesondere Apotheken die Möglichkeit eröffnet werden soll, zur Lagerung von Fertigarzneimitteln eingesetzte Kommissionierautomaten auch zur gemeinsamen Lagerung von verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln in Form von Fertigarzneimitteln zu nutzen.

Der PHAGRO weist darauf hin, dass gerade in den 100 Niederlassungen seiner Mitgliedsunternehmen, d.h. des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels in Deutschland, im Rahmen einer automatisierten EDV-gestützten chaotischen Lagerhaltung jetzt schon die technischen Voraussetzungen bestehen, eine separate Bestands- und Nachweisinformation zu ermöglichen. Aus diesem Grunde bitten wir um entsprechende Berücksichtigung der gleichgerichteten Interessen des pharmazeutischen Großhandels in der Begründung zu Art. 10. Nochmals und abschließend bittet der PHAGRO, in den weiteren Gesetzgebungsprozess adäquat einbezogen zu werden und den berechtigten Interessen des Großhandels insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 78 Abs. 2 S. 1 AMG Rechnung zu tragen. Der PHAGRO und seine Mitgliedsunternehmen stehen dem Bundesministerium zur gemeinsamen Lösungsfindung im gemeinsamen Interesse von Apotheken und Großhändlern zur Verfügung.