Der vollversorgende pharmazeutische Großhandel ist ein zentraler Pfeiler der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Er sichert die flächendeckende, verlässliche und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – rund um die Uhr, bei jedem Wetter, in Stadt und Land in Partnerschaft mit den rund 17.000 Apotheken in Deutschland. Trotz dieser Schlüsselrolle enthält der beschlossene Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD Maßnahmen, die gravierende negative Auswirkungen auf seine wirtschaftliche Substanz haben werden. Bleibt der pharmazeutische Großhandel ein blinder Fleck für die Politik, gefährdet dies die Versorgungssicherheit von Millionen Patientinnen und Patienten.
Die Verfügbarkeit von Arzneimitteln ist keine Selbstverständlichkeit – sie ist das Ergebnis täglicher logistischer Präzision, unternehmerischer Leistungsbereitschaft und versorgungspolitischer Verantwortung. Wer diese Versorgungsstruktur schwächt, gefährdet nicht nur die Apotheken, sondern die Gesundheit von Millionen Patientinnen und Patienten. Wer Versorgungssicherheit verspricht, muss den pharmazeutischen Großhandel mitdenken – strukturell, politisch und finanziell.
Unser Beitrag: Resiliente Lieferketten. Verlässliche Versorgung.
Der vollversorgende pharmazeutische Großhandel ist der zentrale Knotenpunkt, damit Medikamente dort ankommen, wo sie gebraucht werden: bei den Menschen. Mehrmals täglich beliefern die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen die ca. 17.000 Apotheken in Deutschland. Damit sichern sie die Arzneimittelversorgung von rund 83 Millionen Menschen – flächendeckend, auch in ländlichen Regionen. Kein anderer Akteur ist in der Lage oder willens diese Versorgung in Breite und Tiefe sicherzustellen.
Mehr als 95 Prozent aller verschreibungspflichtigen Arzneimittel werden über den Großhandel distribuiert. Ohne den Großhandel ist eine sichere, kontinuierliche und bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung in Deutschland schlicht unmöglich.
Ein Großhandelsstandort lagert im Durchschnitt über 100.000 unterschiedliche Artikel – darunter kühlpflichtige Präparate, Betäubungsmittel und viele andere versorgungsrelevante Arzneimittel, die sonst niemand auf Vorrat hält. Die bundesweit rund 100 Standorte liefern täglich ca. 5 Millionen Packungen an Apotheken aus – auch bei Lieferengpässen, Nachfragewellen oder Krisenlagen.
Die Leistungen des Großhandels beruhen auf gesetzlichen Verpflichtungen und einem weit darüber hinaus gehenden unternehmerischen Engagement: Der Großhandel stellt eine lückenlose Temperaturüberwachung zwischen 15 und 25 Grad Celsius sicher – für kühlpflichtige Medikamente zwischen 2 und 8 Grad. Er bevorratet Arzneimittel für mindestens zwei Wochen und beliefert Apotheken unabhängig von ihrem Standort oder Umsatz. Doch der Großhandel erfüllt Aufgaben, die weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen – und die im politischen Raum oft nicht gesehen oder für selbstverständlich gehalten werden. Dazu gehören neben der bedarfsgerechten zeitnahen Belieferung aller Apotheken eine vorausschauende, tiefe Bevorratung, das aktive Monitoring von Lieferengpässen und die Fähigkeit, auch in Krisensituationen – etwa bei Pandemien, Naturkatastrophen oder internationalen Lieferkettenstörungen – die Versorgung aufrechtzuerhalten. Auch die Vorfinanzierung der von Apotheken abgegebenen Medikamente durch den Großhandel gehört zu den oft übersehenen Leistungen – jährlich sichert die Branche so Waren- und Zahlungsströme im Umfang von 4,4 Milliarden Euro ab.
Diese Leistungen sind für die meisten Menschen unsichtbar, aber unverzichtbar. Sie werden erst dann wahrgenommen, wenn sie ausfallen. Die Vorstellung, diese Versorgungsinfrastruktur sei selbstverständlich oder beliebig belastbar, ist ein gefährlicher Irrtum. Leistungsfähigkeit setzt Wirtschaftlichkeit voraus. Ohne ein tragfähiges ökonomisches Fundament geraten das gesamte System und nicht zuletzt die Unternehmen des pharmazeutischen Großhandels ins Wanken – mit direkten Folgen für Apotheken, Patientinnen und Patienten.
Ohne faire Vergütung droht der Kollaps
Der pharmazeutische Großhandel stemmt eine zentrale Versorgungsaufgabe – doch er wird wirtschaftlich an die Wand gedrückt. Die gesetzlich geregelte Marge ist seit mehr als einem Jahrzehnt eingefroren. Gleichzeitig explodieren die Kosten: für Energie, Personal, Fremdkapital, Fuhrpark, Lagerhaltung oder IT. Dazu kommen verschärfte Vorgaben – etwa zur Temperaturüberwachung oder Notfallbevorratung –, die mit jedem Jahr mehr Ressourcen binden. Die Schere zwischen Aufwand und Vergütung klafft immer weiter auseinander.
Die Folge: Schon heute ist die Abgabe einer Vielzahl von Medikamenten, insbesondere der hochpreisigen, für den Großhandel ein Verlustgeschäft. Investitionen in Logistik, Digitalisierung und Versorgungssicherheit werden ausgebremst und aufgeschoben. Wer diese Leistungen langfristig erhalten will, muss ihre Finanzierung sichern.
Ein besonderes Risiko geht von der Diskussion um die sogenannte „Aufhebung des Skontoverbots“ aus – eine Formulierung, die nicht nur inhaltlich irreführend ist, sondern auch politische Folgen hat. Ein „Skontoverbot“ hat nie existiert. Der Großhandel gewährt weiterhin Skonti – jedoch rechtskonform, im Rahmen der Vorgaben des Bundesgerichtshofs. Zulässig ist ein Skonto nur auf den variablen Großhandelszuschlag – der Festzuschlag von 73 Cent pro Packung muss als Mindestvergütung erhalten bleiben.
Was im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 9. April 2025 als „Aufhebung des Skonti-Verbots“ deklariert wird, ist in Wahrheit der Einstieg in eine Umverteilung vom Großhandel hin zu den Apotheken – der Großhandel soll zugunsten der Apotheken auf den gesamten Großhandelszuschlag Rabatte geben können. Dies geht nur auf Kosten der Versorgung. Denn laut Berechnung der AG „Gesundheit und Pflege“ zu Beginn der Koalitionsverhandlungen soll die Maßnahme „finanzneutral“ für den Bundesetat sein – durch eine „Verschiebung von 15.000 Euro je Apotheke“ aus der Marge des Großhandels. Hochgerechnet auf rund 17.000 Apotheken bedeutet das einen Ergebnisverlust von 255 Millionen Euro jährlich – bei einem Gesamtergebnis der Branche von 310 Millionen Euro im Jahr 2024. Das würde dem vollversorgenden Großhandel nahezu vollständig die wirtschaftliche Grundlage entziehen.
Ein solches Signal ist brandgefährlich. Es suggeriert einen Anspruch auf Preisnachlässe, der rechtlich und faktisch nicht existiert – und finanziell nicht geleistet werden kann. Eine verpflichtende oder politisch erzwungene Skontopraxis wäre zudem verfassungswidrig. Zudem wird der eigentliche Zweck der Maßnahme – die Stärkung der Apothekenstruktur – vollständig verfehlt. Denn Skonti fördern nicht die flächendeckende Versorgung. Wer Versorgungsgerechtigkeit will, muss strukturell fördern – nicht jedoch durch versteckte Querfinanzierung zu Lasten des Großhandels.
Appell an die Politik
Die Mitgliedsunternehmen des PHAGRO sprechen sich gegen eine Freigabe unbeschränkter Rabatte auf den Großhandelspreis aus. Die ohnehin kritische Versorgungslage mit Arzneimitteln darf nicht weiter gefährdet werden. Die Leistungsfähigkeit des Pharmagroßhandels steht in direktem Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit der Apotheken. Wir sehen uns als Partner der Apotheken, mit denen wir gemeinsam die flächendeckende Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherstellen. Wenn die Wirtschaftlichkeit des Pharmagroßhandels in Frage gestellt wird, werden auch Apotheken und Patienten die negativen Folgen zu spüren bekommen. Es ist insofern auch ein Beitrag zur Erhaltung der Apothekenstruktur, den Großhandel nicht weiter zu schwächen.
Vor diesem Hintergrund appellieren die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen an die künftige Koalition, die Schlussfolgerungen des BGH nachzuvollziehen: Eine angemessene Vergütung der Apotheken muss durch eine Anpassung der Apothekenzuschläge gesichert werden und nicht durch die Gewährung bislang verbotener Nachlässe auf die Großhandelszuschläge.
Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Die Politik muss Probleme lösen und keine neuen schaffen. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung ist ein hohes Gut, das keinesfalls gefährdet werden darf.